Die Famulatur war wirklich große Klasse - kann ich jedem ans Herz legen!:)
Der Gestaltungsspielraum ist riesig- so gibt es neben ambulanten Sprechstunden der Kaderärzte (Oberärzte) und Stationsarbeit auch die Möglichkeit, im OP zu assistieren, in der Notaufnahme zu helfen, in Sprechstunden der Hand-/Fuß-/und Wirbelsäulenchirurgie zu hospitieren, aber auch in andere Fachrichtungen einzutauchen.
Besonders das Team der Orthopädie ist unfassbar toll! Auch als Famulant/,,Blockstudent" wird man als gleichwertiges Teammitglied betrachtet und behandelt, mit dem Chef per du, im OP kein Gehetze und Geschrei. Auch wenn es nicht unbedingt Orthopädie sein soll, kann ich das Haus an sich sehr empfehlen! Die Organisation ist spitze, auf Nachfragen wird schnell reagiert und die Teams anderer Fachbereiche sind ebenso freundlich.
Unterkunft&Essen:
Als Famulant (hier gleichzusetzen mit Blockstudent) stellt das Haus ein Zimmer im Personalwohnheim zu Verfügung (ca 3 Minuten zu Fuß vom Spital). Das Zimmer an sich ist ca 16qm2 groß, verfügt über Bett, Schrank, Schreibtisch und Waschbecken. Geteilt werden Küche und WC/Bad. Jeder Bewohner hat ein eigenes, abschließbares Fach je im Kühlschrank und in der Küche, sowie einen eigenen Briefkasten. Für gewöhnlich gibt es keine Töpfe, Pfannen etc- diese müssen selbst mitgebracht werden. Gewaschen und getrocknet werden kann im Keller. Weiterhin gibt es einen separaten Müllraum, einen Abstellraum mit Staubsauger, einen Aufenthaltsraum und eine Dachterasse. Es gibt Personal, das jeden Morgen Flur, Bad und Küche reinigt. Ich persönlich fand das Wohnheim super und habe dort viele neue Leute kennengelernt, mit denen wir abends zusammen gekocht und an den Wochenenden zusammen weggefahren sind. Dort wohnen idR Famulanten anderer Abteilungen, PJler/Unterassistenten, Assistenten, Pflegepersonal und die beiden Hausmeister.
Einführung und Ausstattung:
Ich bin einen halben Tag vorher angekommen und habe mir, wie abgesprochen, den Schlüssel zum Wohnheim an der Information im Spital abgeholt (ist 24h besetzt). Dort gab es auch direkt den Mietvertrag zu unterschreiben. Mit mir zusammen haben eine andere Blockstudentin aus Bern und eine Unterassistentin aus Zürich angefangen. Am ersten Tag wurden wir durch die beiden Sekretärinnen ein-/und herumgeführt. Wir haben einen Arbeitsvertrag bekommen, welchen wir unterschrieben haben, ein eigenes Handy mit den Rufnummern aller Mitarbeiter, einen Universalschlüssel, sowie Spindschlüssel für die Umkleiden. Arbeitskleidung wird gestellt, weiterhin bekommt jeder Mitarbeiter eine eigene E-Mailadresse und einen Zugang zum Klinikprogramm. Das Mittagessen ist für Blockstudenten gratis und war auch jeden Tag ohne Probleme möglich (hot tip: Eintuppern. . Die Qualität und Auswahl ist nicht zu vergleichen mit deutschen Krankenhäusern, mittags sitzt das ganze Team zusammen am Tisch.
Arbeit im Spital:
Das Spital ist natürlich kein Uniklinikum, dementsprechend geht es dort etwas ruhiger zu. Offizieller Arbeitsbeginn ist um 07:00- es reicht aber auch, um 07:30 zum Röntgenrapport anwesend zu sein. Am Vortag werden die OPs geplant, für die man sich einteilen lassen kann. Persönlich hab ich die Erfahrung gemacht, dass man dort nicht nur Haken und Beine hält, sondern, wenn man sich gut anstellt auch kleine Schritte, wie Scheiden, Koagulieren, Nähen etc unter Supervision selbst machen kann. Die Stimmung ist sehr angenehm im OP, es wird viel geredet und erklärt (vor allem herrscht hier keine Angstherrschaft und es fliegen keine Instrumente...). Auch die Beziehung zur Anästhesie, Pflege, Lagerung, TAs etc ist wirklich freundschaftlich. Wenn man für keine OP eingeteilt ist, besteht die Möglichkeit, sich eine anzusehen, bei Visite und auf Station mitzuhelfen, auf den Notfall oder in eine der Sprechstunden zu gehen. Ich habe mich dort tatsächlich nie unwohl und oder ausgenutzt gefühlt, es nicht einfach nur die unbeliebten Aufgaben abgegeben, sondern auch verschiedene Sachen erklärt und viele Freiheiten gelassen. Vom Notfall kann ich ebenso nur positiv berichten: Wenn man sich nicht allzu blöd anstellt, darf man auch eigene Patienten übernehmen und behandeln, Danach werden diese mit dem Chef oder Kader besprochen (fand ich nie irgendwie demütigend, sondern sehr lehrreich). Generell hatte ich nie das Problem, um Hilfe zu fragen, oder irgendwo mitzulaufen; wenn hier wirklich Interesse gezeigt wird, nimmt dich von Assistent bis Chef jeder gerne mit, zeigt, erklärt und leitet an. Es gab jeden Tag die Möglichkeit, eine Mittags--/Kaffeepause zu machen. Der Tag endet meist nach dem Nachmittagsrapport um 16:30, wo die OPs des Tages besprochen und die morgigen geplant werden.
Lehre:
Feste Lehrveranstaltungen gibt es nicht, ABER: jeden Dienstag nach dem Rapport gibt es einen Vortrag, der von einem der Assistenten vorbereitet wird. Natürlich ist auch viel learning by seeing und abhängig von der Eigeninitiative: Jeder nimmt sich gerne Zeit und antwortet auf Fragen und oder erklärt, gibt Tipps etc, leitet an (alles ohne Schreien und Hetze...). Wir wurden immer (auch dank der neuen Wohnheimkontakte) auf Fortbildungen im Haus aufmerksam gemacht- so konnten wir an Schockraum-Simulationen, ALS Trainings und Sono-/Röntgen-/Nahtkursen teilnehmen. Es werden keine 1A-Anatomiekenntnisse erwartet übrigens :)
Freizeit:
Langenthal selbst hat ca 15.000 Einwohner, was ich sehr angenehm fand! Es ist kein New York, man kommt von dort aber ganz gut überall hin. Im Ort selbst gibt es verschiedenste Supermärkte (cave, Schweiz ist dann doch teurer, als Deutschland, aber Aldi hats wieder gerettet), die alle in maximal 15 Minuten zu Fuß erreichbar sind, Kleidungsgeschäfte wie H&M etc, ein Kino, verschiedene Restaurants und kleine Bars, eine Fußgängerzone... Fürs Laufen gehen ist die Lage super- hinter dem Wohnheim beginnt ein großer Wald. Der Bahnhof ist ca 10 Minuten zu Fuß vom Personalwohnheim/Krankenhaus entfernt. Die Wochenenden waren generell frei, sodass ich an diesen durch die Schweiz/Italien gereist bin. Es gibt das HalbTax (sowas wie Bahncard50) und das hat auch ordentlich geglüht. Nach Bern sind es ca 30 Minuten, nach Zürich/Basel/Luzern eine Stunde und nach Mailand/Paris geht es über Bern auch in knapp vier Stunden.
Fazit & Disclaimer:
Wie die Famulatur im Endeffekt für jede:n Einzelne:n läuft, liegt am Famulus selbst. Wenn man nur zum chillen kommen will, ist das sicherlich möglich, aber schade um die Freiheiten und Möglichkeiten, die einem durch das Team gelassen werden. Vielleicht bin ich so überzeugt von der Famulatur, weil ich bisher an Unikliniken in Deutschland nur Scheiße fressen durfte, aber gerade deshalb schätzt man die Ruhe und Gelegenheiten, Fertigkeiten wie Nähen, Sono etc lernen zu können.
Schwitzerdütsch ist zwar gewöhnungsbedürftig, aber absolut kein Hexenwerk. Das Team der Ortho kommt zum größten Teil aus Deutschland und viele Schweizer sprechen zudem auch Hochdeutsch, deshalb einfach nachfragen.
Vielen Dank für den tollen Monat, wir sehen uns im PJ!
Bewerbung
So früh wie möglich mit Lebenslauf und Motivationsschreiben an job@sro.ch . Famulatur ist äquivalent zu ,,Blockstudent" (das sind die Famulanten der Uni Bern). Einer der Kaderärzte ist zuständig für die Koordination der Studenten und wird sich mit allen Dokumenten und Informationen zurückmelden, wenn die Famulatur zustande kommt und steht immer für Nachfragen zu Verfügung. Die Nachfrage an Famulaturen steigt momentan, deshalb kann es sein, dass kurzfristige Bewerbungen nur zustande kommen, wenn jemand abspringt.