Famulatur Neurochirurgie in The Alfred (8/2014 bis 9/2014)

Krankenhaus
The Alfred
Stadt
Melbourne
Station(en)
4. etage
Fachrichtung
Neurochirurgie
Zeitraum
8/2014 bis 9/2014
Einsatzbereiche
Station, OP, Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde
Heimatuni
Aachen
Kommentar
Meine geplante Famulatur in Melbourne entsprach leider gar nicht meinen Vorstellungen der Lehre in Australien, ebenso wenig den Vorberichten hier bei Famulatur-ranking.

Meine Entscheidung nach Australien zu gehen beruhte auf dem Wunsch, mein Medical-Englisch zu verbessern und einen guten Eindruck in die Neurochirurgie zu bekommen.
Nachdem ich unverbindlich ca 6 monate vor Beginn meiner Famulatur eine Anfrage an das Sekretariat des Alfred Krankenhaus geschickt hab, bekam ich relativ zügig innerhalb von wenigen Tagen, eine Antwort, wobei ich über meine Rechten und Pflichten als "elective student" aufgeklärt wurde. Zusätzlich musste ich gleich drei (!) von einander unabhängige letter of recommendation, mein physikum-zeugnis, ein ins englische übersetzte polizeiliches führungszeugnis, nachweis über verschiedene versicherungen (berufshaftplicht, auslandskrankenversicherung, unfallversicherung etc) einreichen. Darüberhinaus kam eine wochentliche Gebühr von 450AUD hinzu. Eine Unterkunft sowie Essensmarken wurden nicht gestellt. Im prinzip ging alles an die Universität von Melbourne, die Abteilung und die zuständigen Ärzte hatten hier von keine Ahnung.
Nichts desto trotz reiste ich voller Motivation über eine gute Famulatur nach Melbourne, wobei ich drei sehr schöne Wochen entlang der Ost-küste von Australien herumgereist bin. Das sollte jeder Australienreisende erlebt haben, aber dazu muss ich sicherlich nicht viel zu erwähnen.:-)
An meinem ersten Tag am Alfred Hospital wurde ich von der zuständigen Sekretärin einem Associate Professor vorgestellt, der 6 Sprachen sprechen konnte und sich mit mir teilweise auf deutsch unterhalten konnte. Seine erste Frage lautete: "Do you have a tie?", obwohl ich mit feinen Schuhen, Hemd, und dunkler Chino aufgetaucht war, fand er mein äusserliches Erscheinungsbild für nicht angemessen. Es wurde im Vorfeld zwar gesagt, dass man sich gut und fein anziehen muss, jedoch wurde mit keinem Satz erwähnt, dass es eine strikte Krawattenpflicht auch für Studenten galt. Die Interns (also Assistenzärzte im ersten Jahr) liefen alle mit feiner Anzugshose, Hemd, Krawatte und feinen Lederschuhen auf Station rum. Ebenso die Krankenpfleger und -Schwestern waren alle samt ähnlich gekleidet. Allenfalls im OP-bereich durfte man seine Kleidung gegen Scrubs tauschen (versteht sich von selbst!). Über die verschiedene Variationen und Geschmäcker möcht ich nicht reden, jedoch war es egal, ob die Krawatte grünblau-karriert war oder kaffee-flecken darauf zu sehen waren. :-) "Hauptsache krawatte und feine Schuhe".
Ohne einer echten Einführung wurde ich mitgenommen in die wöchentliche, interdisziplinäre Konferenz, wo man sich, wie bei uns, die letzte Reihe mit anderen Studenten teilen durfte, und die ca 90min Konferenz verfolgen durfte/musste. Danach ging es ohne weiterer Erklärungen in den Seminarraum der Neurochirurgie, wo die Oberärzte samt dem Chefarzt den Op-plan für die Woche und sonstige Besonderheiten besprochen wurde.
Hiernach konnte ich mich mit verschiedenen Studenten unterhalten, die zur gleichen Zeit ihre "rotations" in der Neurochirurgie absolvierten. Sie konnten mir alles weitere erklären und zeigten mir aus Freundlichkeit, wo welche räumlichkeiten zu finden waren (OP, Poliklinik etc.)
Jedoch fiel auch bei den heimischen Studenten auf, dass sich keiner für sie verantwortlich gefühlt hat. Keiner von uns Studenten wurden aktiv in die Stationsabläufe oder sonstige Tätigkeiten eingebunden. Man war auf sich alleine gestellt, wobei dennoch von uns verlangt wurde, dass wir jede Besprechung teilnehmen, egal, ob morgens um 7.15h auf der Intensivstation oder später bei der abendlichen besprechung zwischen 17-19h. Die morgendlichen Visiten auf Station liefen in der Form ab, dass ca 15 personen (registrars,interns,nurses, pharmacists,med students etc) von zimmer zu zimmer gehen, wobei nur der Registrar sich mit den patienten unterhalten hat und auch sonst keine weiteren erklärungen für sein team oder geschweige denn für die Studenten auf station gemacht wurden. Meist wurde man nur mit einem sehr oberflächlichen "Hey mate, how are you" kurz begrüsst und links liegen gelassen.
Nach den ward rounds zogen alle mitarbeiter zu ihren aufgaben ab und man wurde als student, wie schon gesagt, nicht mit einbezogen. So ging das Woche für Woche ab. Standen unter Umständen interessante Ops an der Tagesordnung, musste man sich, je nach operierenden Oberarzt, die gesamte Patientenakte aneignen und zusätzlich den patienten komplett neurologisch untersucht haben, ehe man in den OP am Monitor zuschauen "durfte". Hatte man dies im Vorfeld getan, wurde man über die Erkrankung oder die anatomischen Strukturen während der OP abgefragt, sofern man das Glück hatte, dass der Oberarzt Lust drauf hatte, sich mit Studenten zu unterhalten oder nicht.
In der Poliklinik ("clinics") sah die Situation evtl anders aus. Montags und Dienstags war der oben erwähnte Associate Professor in der Sprechstunde anwesend, wobei er die Studenten teilweise zu anderen Assistenzärzten geschickt hat oder ein bis zwei Studenten mit in seine Sprechstunde mitgenommen hat. Man musste, so auch ich, ohne eine kurze Einführung oder sonst was, den Patienten klinisch untersuchen und die Anamnese führen. Das klingt in erster Linie relativ einfach, jedoch wollte der Prof alles mögliche über seine patienten von seinen Studenten hören (...was der patient von beruf macht, ob er verheiratet ist oder geschieden, ob er in einer wohnung oder in einem haus wohnt, ob er kinder hat, ob er finanzielle probleme hat oder wohlhabend...also alles mögliche.) Fehlte ihm eine Information oder konnte ein Student seine körperliche Untersuchung nicht vervollständigen, wurde der Student vor den Augen der Patienten rund gemacht und seine Fehler bemängelt. Während meiner ersten Tage sagte der Prof zu mir "During the next weeks you owe me, your soul, your body, your mind owe me!". damit wollte der Prof einen verständlich machen, dass er genau darauf achtet, was wir machen und wie engagiert man ist. Nur so wurden einem mit der Zeit mehr Aufgaben zugeteilt und man konnte mehr sehen.
Auf die Frage, was er genau von mir als elective student erwartet, hat er eig keine richtige Antwort gefunden. Er verlangte, dass man sich selbstständig über die gesamten Patienten auf Station (n>40) kundig macht und alles über die Patienten in Erfahrung bringt. Ich möchte an dieser Stelle nochmals betonen, dass man medical englisch nicht unterschätzen sollte. Es werden einen viele viele Abkürzungen vor die Nase gesetzt und teilweise muss man sich mit patienten unterhalten, die zusätzlich zu ihrem schwer verständlichen, ländlichen Akzent noch eine Aphasie mitbringen. Jedoch muss man auch sagen, dass die Patienten einem ausländischen Studenten sehr offen und freundlich gegenüber waren und man nie das gefühl bekommen hat, dass man sie nerven würde.
Am ende der 6 wochen musste jeder Student auf station eine "case presentation" vor dem Prof und anderen Studenten halten. Man musste sich eigenständig einen patienten aussuchen, eine vollständige Anamnese plus körperlich-neurolog. Untersuchung durchführen, die geplante Operation besuchen und danach eine erneute körperliche Untersuchung durchführen, dies alles in eine fehlerfrei powerpoint präsentation packen und vor versammelter mannschaft vortragen. Der Prof hat immer gleich die Fehler seiner Studenten aufgezeigt, was sicherlich auf der einen Seite die Studenten extrem genervt und angestrengt hat, jedoch hab ich immer gerne mich an diesen Prof gehalten, da man von ihm auch sehr viel lernen konnte. Seine Art und Weise ist sicherlich häufig unangenehm gewesen, jedoch wollte er immer aus seinen Studenten das Beste im Sinne der Patienten rausholen. Im Gegensatz zu der restlichen Mitarbeiterschaft hat er als einziger die Studenten wahrgenommen und ihnen ihre Fehler aufgezeigt, was in meinen Augen auch von Vorteil sein kann.
Nach meinem Vortrag und am Ende der Famulatur wurde ich nochmals persönlich in sein Büro gefordert, wo ich ein sehr ehrliches und gutes Gespräch mit ihm führen durfte. Hier hatte ich auch die Chance ein Feedback meinerseits zu geben und seine Abteilung zu bewerten. Er hatte mir gegenüber erwähnt, dass er keine Ahnung davon hatte, dass ein "elective" so viel zahlen müsste und dass das gesamte Geld nicht an die Abteilung sondern an die Uni gehen würde.
Um meine Famulatur am Alfred Hospital in der Abteilung für Neurochirurgie zusammenzufassen, möcht ich noch eins erwähnen:
Sicherlich war es von der Atmosphäre und dem Ansehen von Studenten, bzw ausländischen Studenten, die schlechteste Famulatur, die man überhaupt absolvieren kann. Auf der anderen Seite muss ich auch sagen, dass ich durch diese Famulatur gelernt hab, dass wir Studenten sicherlich in Situationen kommen, in denen wir völlig auf uns alleine gestellt sind, und sicherlich viele Sachen selber bei bringen müssen. Mein ursprüngliches Ziel, mein medical englisch zu verbessern, ist mir sicherlich, auch durch den vortrag, gelungen. mein tipp an dieser stelle: lieber mehr geld in die hand nehmen und eine längere famulatur planen(also mind 4 wochen). Ich mit meinen sechs wochen fands schon fast zu kurz.
Darüber hinaus ist mir zusätzlich bewusst geworden, dass unser gesundheitssystem und unsere lehre in deutschland nicht immer als schlecht betitelt werden muss. wir studenten werden in vielen dingen verwöhnt und verlangen viel von unseren profs und fachschaften. man sollte sich manchmal vielleicht vor augen führen, dass es immer eine schlechtere Betreuung möglich ist (im sinne von fehlende lehre etc.), und es immer an einem selber liegt, ob man für sich etwas mitnimmt oder nicht. der lernerfolg für mich nach dieser famulatur in einem land wie Australien, in der Lehre als selbstverständlich verstanden wird, war sicherlich nicht der Größte. Dennoch muss ich sagen, dass es für mich persönlich eine eine lehrreiche Zeit war und ich vieles für mein späteres Arzt-da-sein mitgenommen hab.
Jeder, der sich für eine Famulatur im Ausland interessiert, sollte sich auch bewusst machen, dass nicht immer alle Erwartungen erfüllt werden können, oder Erwartungen durch Famulaturberichte anderer bestätigen lassen können.


Unterricht
1x / Woche
Inhalte
Repetitorien
Fallbesprechung
Patientenvorstellung
Tätigkeiten
Patienten untersuchen
Patienten aufnehmen
Dienstbeginn
7:00 bis 8:00 Uhr
Dienstende
17:00 bis 18:00 Uhr
Studientage
1x / Woche frei
Gehalt in EUR
0
Gebühren in EUR
über 1800

Noten

Stimmung Station
5
Kontakt zur Pflege
6
Ansehen
6
Stimmung Klinik
4
Unterricht
3
Betreuung
6
Freizeit
6
Lehre auf Station
5
Insgesamt
5

Durchschnitt 4.93